ZK 2009 30 - Art. 7 Abs. 2 GestG: Gerichtsstandsvereinbarung
APH 09 30, publiziert Oktober 2009
Urteil der 1. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern,
unter Mitwirkung von Oberrichterin Pfister Hadorn (Referentin), Oberrichterin Lüthy-Colomb und Oberrichter Kunz sowie Kammerschreiber Günther
vom 24. August 2009
in der Streitsache
zwischen
A.
vertreten durch Rechtsanwalt X
Kläger/Appellant
und
B.
Beklagte/Appellatin
Regeste:
- Art. 7 Abs. 2 GestG
- Besteht im Falle der Geltendmachung mehrerer Forderungen des Klägers gegen dieselbe Beklagte für einen der Ansprüche eine Gerichtsstandsvereinbarung, welche als ausschliesslich im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 GestG zu verstehen ist, so ist die objektive Klagehäufung mit prorogierten Ansprüchen beim derogierten Gericht gemäss Art. 7 Abs. 2 GestG nicht zulässig.
Redaktionelle Vorbemerkungen:
Im zu beurteilenden Fall machte der Appellant gegenüber der Appellatin klageweise mehrere Honorarforderungen geltend, welche auf seiner früheren Tätigkeit als deren Rechtsvertreter beruhen (verschiedene Mandatsverhältnisse). Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass für einen der erhobenen Ansprüche eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht, welche die Zuständigkeit des erstinstanzlich angerufenen Gerichtspräsidenten derogiert. Letzterer wies die Klage unter Berufung auf die fehlende örtliche Zuständigkeit zurück.
Auszug aus den Erwägungen:
I.
[...]
II.
[...]
III.
1.
[...]
2. Der Appellant machte vor dem Gerichtskreis xy mehrere Ansprüche in einer Klage geltend. Für mehrere Ansprüche gegen eine beklagte Partei, welche in einem sachlichen Zusammenhang stehen, ist jedes Gericht örtlich zuständig, das für einen der Ansprüche zuständig ist (vgl. Art. 7 Abs. 2 GestG). Diese Vorschrift, auf welche sich der Appellant zwecks Begründung der örtlichen Zuständigkeit der Vorinstanz beruft, wird indessen von einem Teil der Lehre dahingehend eingeschränkt, dass mittels objektiver Klagehäufung jedenfalls dann nicht von einem prorogierten Gerichtsstand abgewichen werden kann, wenn die Gerichtsstandsklausel als ausschliesslich verstanden werden muss (vgl. Berger in Kellerhals/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], Gerichtsstandsgesetz, 2. Auflage Bern 2005, N 55 zu Art. 9 GestG). Diesfalls wäre eine objektive Klagehäufung am derogierten Gericht nicht zulässig bzw. das derogierte Gericht zur Behandlung der Klage über mehrere Ansprüche gegen dieselbe Partei örtlich nicht zuständig.
Für den zu beurteilenden Fall bedeutet dies Folgendes: Vorliegend liegt für einen der vom Appellanten geltend gemachten Ansprüche unbestrittenermassen eine Prorogation eines Gerichtsstandes vor, nämlich für b. Wie die Vorinstanz korrekterweise ausgeführt hat, kann von diesem vereinbarten Gerichtsstand mittels objektiver Klagehäufung am derogierten Forum nicht abgewichen werden, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung zulässig und gültig ist und ausschliessliche Wirkung entfaltet. Von vornherein ausgeschlossen wäre eine objektive Klagehäufung zudem auch dann, wenn die in der entsprechenden Vollmacht zur Vertretung in Sachen Z. enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung auch Auswirkungen auf die übrigen, nicht vom Titel der Vollmacht gedeckten, vom Appellanten gegen die Appellatin erhobenen Ansprüche zeitigen würde, mithin als sachlich umfassend angesehen werden müsste. Diesfalls wäre es nicht relevant, dass nur für einen Teil der Streitigkeiten Vollmachten vorliegen, welche eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten.
3. Zulässigkeit bzw. Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung (...)
a. Die Gerichtsstandsvereinbarung (...) entspricht den Formvorschriften gemäss Art. 9 Abs. 2 GestG. Dies ist auch zwischen den Parteien nicht bestritten. Bestritten ist jedoch, ob die Vereinbarung gegen Art. 21 Abs. 1 lit. a GestG verstösst, wonach auf den Konsumentengerichtsstand gemäss Art. 22 GestG nicht zum Voraus (und auch nicht durch Einlassung) verzichtet werden kann. Der Konsumentengerichtsstand gemäss Art. 22 GestG stellt demnach einen teilzwingenden Gerichtsstand dar; eine abweichende Vereinbarung ist erst nach Entstehung der Streitigkeit zulässig. Das Gesetz definiert Konsumentenverträge als Verträge über Leistungen des üblichen Verbrauchs, die für die persönlichen familiären Bedürfnisse des Konsumenten der Konsumentin bestimmt sind und von der anderen Partei im Rahmen ihrer beruflichen gewerblichen Tätigkeit angeboten werden (Art. 22 Abs. 2 GestG). Diese Definition entspricht dem sachlichen Anwendungsbereich von Art. 22 GestG.
b. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist entscheidend, dass der Vertrag zwischen einem gewerbsmässigen Anbieter und einem Verbraucher geschlossen wird, zu dessen privaten Bedarf die vertragliche Leistung bestimmt ist. Für die Umschreibung des Konsumentenvertrags ist daher der besondere Schutzzweck der im Interesse des Konsumenten erlassenen Bestimmung massgebend. Insofern ist im Gerichtsstandsgesetz aus Gründen des Sozialschutzes neu ein allgemeiner Klägergerichtsstand eingeführt worden. Der Anwendungsbereich ist eng zu verstehen, denn der Sozialschutz beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers ausschliesslich auf private Abnehmer und auf Leistungen des üblichen Bedarfs (vgl. BGE 132 III 268, 272, mit Hinweisen auf die einschlägige Lehre). Vorliegend beruft sich der Appellant als gewerblicher Anbieter auf den Konsumentengerichtsstand. Demgegenüber ist die Appellatin als Verbraucherin offensichtlich bereit, auf denselben zu verzichten. Somit kann jedenfalls festgehalten werden, dass der Appellant nicht vom besonderen Schutzzweck von Art. 22 Abs. 1 GestG umfasst wird.
c. Gemäss den Erwägungen der Vorinstanz können auch die durch ein besonderes Treuverhältnis geprägten Verträge, insbesondere Verträge mit Ärzten und Anwälten, unter den Begriff des Konsumentenvertrages von Art. 22 Abs. 2 GestG fallen. Diese Rechtsauffassung ist nicht zu kritisieren und entspricht wohl der herrschenden Lehre (vgl. z.B. Walther in Kellerhals/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], a.a.O., N 29 zu Art. 22 GestG; Alexander Brunner, in Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar zum Schweizerischen Zivilprozessrecht, 2001, N 16 zu Art. 22 GestG). Immerhin sei festgehalten, dass das durch den Massenmarkt bedingte strukturelle Ungleichgewicht zwischen den Parteien, welches typisches Merkmal eines Konsumentenvertrages ist, durch die ausdrückliche Pflicht zur umfassenden Interessenswahrung bei Aufträgen eine erhebliche Korrektur erfährt. Weiter ist zu beachten, dass ein Vertrag grundsätzlich immer nur für den konkreten Einzelfall als Konsumentenvertrag nicht als Konsumentenvertrag eingeordnet werden kann; auf den Vertragstypus und die Vertragsstruktur kommt es in diesem Sinne nicht an. Somit gilt auch ein Anwaltsvertrag nicht einfach per se als Konsumentenvertrag, sondern es ist zu prüfen, ob die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 22 GestG gegeben sind.
d. Folglich bleibt abzuklären, was unter der Beschränkung auf den „üblichen Gebrauch“ nach dem Willen des Gesetzgebers zu verstehen ist. Denn dass die Leistungen aus den Anwaltsverträgen die persönlichen Bedürfnisse der Appellatin (nach Rechtsschutz) i.S.v. Art. 22 Abs. 2 GestG betrafen, ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Erörterungen.
Aus der Entstehungsgeschichte des Konsumentengerichtsstands gemäss Art. 22 GestG geht hervor, dass jedenfalls Geschäfte ausgeschlossen werden sollten, deren Grössenordnung bzw. wertmässige Bedeutung den Rahmen des Üblichen sprengt (vgl. Gross in Müller/Wirth [Hrsg.], Gerichtsstandsgesetz, Zürich 2001, N 125 ff.; Amtliches Bulletin Ständerat 1999, Geschäftsnummer 98.067, S. 892, Votum Wicki Franz, wonach bei einem Vertrag einer Privatperson mit einem Baumeister im Umfang von über CHF 100'000.00 der Schutz des Konsumenten nicht im Vordergrund liegt; Amtliches Bulletin Nationalrat 1999, Geschäftsnummer 98.067, S. 2410). Sodann bezieht sich die Beschränkung darüber hinaus auch auf Verträge, die bereits von ihrem Gegenstand her keine üblichen bzw. gewöhnlichen Bedürfnisse eines Konsumenten betreffen. Dies ergibt sich aus dem Zweck von Art. 22 GestG, dem Konsumenten bei Streitigkeiten aus Verträgen zur Deckung der regelmässigen Grundbedürfnisse einen Klägergerichtsstand zur Verfügung zu stellen (vgl. Gross in Müller/Wirth [Hrsg.], a.a.O., N 124 zu Art. 22 GestG; BGE 132 III 268, 272, E. 2.2.3, wonach nach dem gesetzgeberischen Willen der Konsumentengerichtsstand eingeschränkt werden sollte auf Verträge, deren Gegenstand den Rahmen des üblichen Konsums nicht sprengt).
Gestützt auf die obenstehenden Ausführungen sind als Verträge über Leistungen des üblichen Verbrauchs demnach Verträge zu qualifizieren, die ein Konsument gewöhnlicherweise abschliesst und die weder bezüglich ihrer Grössenordnung bzw. wertmässigen Bedeutung noch bezüglich ihres Gegenstands als ausserordentlich aufzufassen sind. In diesem Sinne erwähnt die Botschaft als typische Konsumentenverträge Haustürgeschäfte und ähnliche Verträge, Abzahlungsund Vorauszahlungsverträge, Konsumkreditverträge, Verträge mit Kleinreisenden nach dem Bundesgesetz über die Handelsreisenden und Pauschalreiseverträge (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen vom 18. November 1998, S. 2860).
e. Der Vertrag mit einem Anwalt, in welchem jener betraut wird, die Interessen seines Mandanten in einer bestimmten Angelegenheit zu wahren, stellt bereits aufgrund seines Gegenstands (Beizug eines Rechtsbeistands) grundsätzlich keinen Vertrag über Leistungen des üblichen Gebrauchs dar. Vielmehr dürfte der Beizug eines Anwalts unabhängig vom konkreten Mandatsverhältnis immer nur in ausserordentlichen Situationen in Frage kommen (vgl. Gross in Müller/Wirth [Hrsg.], a.a.O., N 169 zu Art. 22 GestG). Zwar ist dem Rechtsvertreter des Appellanten darin zuzustimmen, dass Mandatsverhältnisse, welche sich auf die Interessenwahrung in einer typischen Konsumentenangelegenheit beziehen, anders beurteilt werden können und ausnahmsweise unter den Begriff des Konsumentenvertrages fallen können (vgl. dazu auch lit. c hievor). Indessen bezog sich das Mandat in Sachen (...) auf die Betreibung der K. auf Grundpfandverwertung der von der Appellatin bewohnten Eigentumswohnung. Eine solche Betreibung aufgrund ausstehender Hypothekarzinszahlungen beschlägt wohl die persönlichen Verhältnisse der Appellatin, kann jedoch nicht als typische Konsumentenangelegenheit betrachtet werden. Die Mandate der zwei übrigen, geltend gemachten Forderungen betrafen im Wesentlichen Erbschaftsbzw. Erbteilungsangelegenheiten, womit ein Konsumentenverhältnis von vornherein ausscheidet. Schliesslich stellen die Anwaltsverträge auch aufgrund ihrer Grössenordnung keine Verträge des üblichen Gebrauchs dar: (...).
Handelt es sich bei den vorliegenden Streitsachen jedoch nicht um Streitigkeiten aus einem Vertrag über eine Leistung üblichen Verbrauchs, so kann sich der Appellant nicht auf den besonderen Gerichtsstand gemäss Art. 22 GestG berufen. Infolgedessen ist die Gerichtsstandsvereinbarung (...) gültig.
4. Sachlicher Umfang der Gerichtsstandsvereinbarung
Die Vorinstanz stellte sich im Wesentlichen auf den Standpunkt, dass die in der Vollmacht (...) enthaltene Gerichtsstandsklausel alle vom Appellanten geltend gemachten Honorarforderungen gegen die Appellatin abdeckt. Die Gerichtsstandsklausel nehme keinen Bezug auf die unter dem Titel „zur Vertretung in Sachen“ genannten Angelegenheiten, eine Einschränkung in dieser Hinsicht sei dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Folglich ergebe sich, dass die Gerichtsstandsklausel ihrem klaren Wortlaut entsprechend als alle zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten erfassend habe verstanden werden müssen.
Dieser Ansicht der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden: Zwar trifft es zu, dass der Wortlaut der Gerichtsstandsklausel (...) keine Einschränkung enthält, sondern „alle Streitigkeiten zwischen der Vollmachtgeberin und dem Fürsprecher“ als von ihr umfasst bezeichnet. Eine Einschränkung ergibt sich indessen schon daraus, dass die fragliche Gerichtsstandsvereinbarung unter dem Titel „zur Vertretung in Sachen Z.“ angeordnet ist. Unter diesen Umständen können mit dem Terminus „alle Streitigkeiten“ offensichtlich nur alle Streitigkeiten betreffend den Mandatsbereich Z. gemeint sein. Eine entsprechende ausdrückliche Einschränkung bzw. Bezugnahme auf den Titel der Vollmacht im Wortlaut der Gerichtsstandsklausel selbst erübrigt sich somit. Dabei ist unerheblich, dass die entsprechende Vollmacht allenfalls auch für andere Streitigkeiten als die in ihrem Titel genannten verwendet worden ist. Dies hält denn die Vorinstanz auch selbst fest (vgl. pag. 249). Weiter ist dem Rechtsvertreter des Appellanten darin zuzustimmen, dass eine weitergehende Auslegung der Gerichtsstandsklausel gegen Art. 9 Abs. 1 GestG verstossen würde: Die Parteien können einen Gerichtsstand nur für Ansprüche aus einem „bestimmten Rechtsverhältnis“ (Art. 9 Abs. 1 GestG) prorogieren. Keine Bestimmbarkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die Parteien für sämtliche Streitigkeiten aus ihren gegenseitigen Geschäftsbeziehungen einen Gerichtsstand vereinbaren, da zu keinem Zeitpunkt Gewissheit über sämtliche Geschäfte besteht, welche die Parteien in der Zukunft abschliessen werden. Diesfalls läge eine übermässige Bindung im Sinne von Art. 27 ZGB vor (vgl. dazu Peter Reetz in Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], a.a.O., N 8 zu Art. 9 GestG). Die Auslegung der Gerichtsstandsklausel durch die Vorinstanz würde folglich zum Wegfall der Bestimmbarkeit der Rechtsverhältnisse führen, würden doch gemäss dieser auch alle zukünftigen Streitigkeiten zwischen dem Appellanten und der Appellatin unter die Prorogation fallen; denn der blosse Wortlaut der Klausel enthält weder eine Beschränkung auf alle bestehenden Streitigkeiten noch auf diejenigen, welche dem entsprechenden Anwaltsvertrag zugrunde liegen. Eine solche isolierte Auslegung strikte nach dem Wortlaut ist indessen nicht zulässig und verstösst gegen den aus dem Titel „zur Vertretung in Sachen Z.“ klar ersichtlichen Sinn der Vollmacht.
5. Ausschliesslichkeit des vereinbarten Forums
Gemäss Art. 9 Abs. 1, 2. Satz GestG kann die Klage nur am vereinbarten Gerichtsstand angehoben werden, wenn aus der Vereinbarung nichts anderes hervorgeht. Die genannte Bestimmung enthält daher eine gesetzliche Ausschliesslichkeitsvermutung zugunsten des vereinbarten Gerichtsstandes (vgl. Peter Reetz in Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], a.a.O., N 19 zu Art. 9 GestG, mit Hinweis auf BGE 118 II 190; Berger in Kellerhals/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], a.a.O., N 31 ff. zu Art. 9 GestG). Vorliegend ergibt sich aus dem Wortlaut der Gerichtsstandsklausel gemäss Vollmacht vom 12. Dezember 2005 nichts anderes, als dass dem vereinbarten Gerichtsstand ausschliesslichen Charakter zukommen soll.
Somit ist es Sache des Klägers und Appellanten, zu beweisen, dass trotz der Tatsache, dass aus dem Wortlaut der Vereinbarung nichts anderes als der vereinbarte Gerichtsstand an seinem Geschäftssitz (in casu X.) hervorgeht, die Klage dennoch auch an einem ordentlichen Gerichtsstand (in casu am Ort der objektiven Klagehäufung in Y. gemäss Art. 7 Abs. 2 GestG) erhoben werden kann. Der Appellant führt dazu in appellatorio aus, massgebend sei, was die Parteien tatsächlich übereinstimmend gewollt hätten; gegebenenfalls sei durch Auslegung zu ermitteln, wie die Erklärungen der Parteien nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen nach Treu und Glauben hätten verstanden werden dürfen. Demnach sei im Laufe der gehabten Mandatsverhältnisse der Gerichtsstand in xy nie ein Thema gewesen, was aufgrund der geographischen Nähe zwischen X. und Y. nachvollziehbar sei. Die auf der bernischen Anwaltsvollmacht standardmässig enthaltene Gerichtsstandsklausel sei durch die Parteien mitunterzeichnet worden, ohne dass diese den sich daraus ergebenden Konsequenzen eine spezielle Bedeutung bzw. Relevanz beigemessen hätten.
Tatsächlich trifft es zu, dass die zu beurteilende Gerichtsstandsklausel, wonach für Streitigkeiten aus dem Mandatsverhältnis grundsätzlich die Gerichte am Geschäftssitz des Fürsprechers zuständig sind, standardmässig in den Vollmachtsvorlagen des bernischen Anwaltsverbands enthalten ist. Insoweit der Appellant daher geltend macht, die Klausel sei mitunterzeichnet worden, ohne dass sie speziell beachtet worden sei, kann auf die zur rechtlichen Beurteilung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) entwickelten Regeln verwiesen werden: Demnach erlangen auch ungelesen bzw. ohne genaue Kenntnisnahme unterzeichnete Urkunden prinzipiell Gültigkeit (sogenanntes Globalakzept). Hingegen bleibt das Globalakzept ungültig, wenn die ungelesen unbedacht unterzeichnete AGB-Klausel derart ungewöhnlich bzw. geschäftsfremd ist, dass mit ihr nicht gerechnet werden musste. Vorliegend kann der Appellant als praktizierender Anwalt hingegen nicht als geschäftlich unerfahren bezeichnet werden und sich demnach auch nicht auf den Überraschungseffekt berufen. Vielmehr tritt er in casu als Verwender der entsprechenden Gerichtsstandsklausel auf; aufgrund dieser Tatsache und gestützt auf seine Tätigkeit und Erfahrung mussten ihm deren Existenz und die sich daraus ergebenden Konsequenzen bekannt sein. Dies umsomehr, als dass er in seiner Geschäftstätigkeit regelmässig solche Vollmachten verwenden dürfte. Weiter kann vorliegend nicht ermittelt werden, was die Parteien i.S.v. Art. 18 Abs. 1 OR tatsächlich übereinstimmend gewollt haben. Ein übereinstimmender wirklicher Wille beider Parteien, welcher auf einen anderen als den in der Vollmacht bezeichneten Gerichtsstand schliessen lässt, geht nämlich aus den Akten nicht hervor. Somit bleibt es bei der Anwendung des Vertrauensprinzips, welches besagt, dass die Erklärung des Anbieters so auszulegen ist, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durfte und musste. Die Gerichtsstandsklausel ist nun vom Wortlaut her derart klar und eindeutig, dass auch eine Auslegung mittels Vertrauensprinzip zu keinem abweichenden Ergebnis führt. Daran vermögen auch die geographischen Verhältnisse nichts zu ändern; es dürfte aus praktischen Gründen wohl öfters vorkommen, dass ein Klient einen Rechtsvertreter beauftragt, welcher sich räumlich in seiner Nähe befindet. Dass sich die Gerichtsstandsvereinbarung dennoch standardmässig in den vorformulierten Vollmachten des bernischen Anwaltsverbands befindet, spricht nicht dafür, dass damit lediglich der Schutz des Anwaltes bei weit entfernter internationaler Kundschaft bezweckt wird. Eine solche Beschränkung des Schutzbereiches wäre daher nicht statthaft.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es dem Appellanten nicht gelingt, die Vermutungsbasis von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 GestG zu widerlegen.
6.
[...]
7. Fazit
Gestützt auf Ziffer III. 5. hievor ergibt sich, dass die Gerichtsstandsklausel gemäss Vollmacht vom (...) als ausschliesslich verstanden werden muss. Die objektive Klagehäufung mit prorogierten Ansprüchen beim derogierten Gericht ist in diesem Fall jedoch nicht zulässig (vgl. Berger in Kellerhals/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], a.a.O., N 55 zu Art. 9 GestG; Peter Reetz, Die allgemeinen Bestimmungen des Gerichtsstandsgesetzes, Dissertation Zürich 2001). Die Beteiligten haben den entsprechenden Anspruch nämlich parteiautonom ausschliesslich in die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts gelegt; es ist nun nicht einzusehen, weshalb diese Bindung nicht mehr gelten soll, wenn derselbe Anspruch zusammen mit andern, in einem sachlichen Zusammenhang stehenden Ansprüchen geltend gemacht wird; an der bestehenden, übereinstimmenden Willenserklärung beider Parteien bezüglich dem vereinbarten Gerichtsstand ändert sich diesfalls nichts. Das Bundesgericht hat die mit der Prorogation verbundene Derogation gesetzlich zuständiger Gerichte selbst für den Widerklagegerichtsstand bejaht (vgl. BGE 125 III 35, 46, E. 3.c). Mit einer Widerklage wird jedoch anders als im vorliegenden Fall ein von der Vorklage nicht umfasster Anspruch verfolgt (Heranziehung des Widerklageanspruchs, welcher nicht zwingend auf dem Rechtsverhältnis der Vorklage beruhen muss, zum prorogierten Forum). Vorliegend würde indessen der prorogierte Anspruch durch Art. 7 Abs. 2 GestG zum derogierten Forum herangezogen. Dies kann a majore ad minus nicht zulässig sein. Die Derogationswirkung der vermuteten Ausschliesslichkeit eines prorogierten Gerichtsstandes umfasst demnach ebenfalls eine allfällige Zuständigkeit aufgrund objektiver Klagehäufung i.S.v. Art. 7 Abs. 2 GestG. Folglich war die Vorinstanz zur Behandlung der Klage des Appellanten vom (...), mit welcher unter anderem auch der Anspruch, für welchen gemäss Vollmacht vom (...) eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht, geltend gemacht wurde, örtlich nicht zuständig. Die Vorinstanz ist deshalb aufgrund der Ausschliesslichkeitswirkung der Gerichtsstandsklausel zu Recht nicht auf die Klage eingetreten.
IV.
[...]
Hinweis:
Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.